
Herzensbildung
Mein guter Freund Karl hatte sich das Thema gewünscht. Der Duden definiert den
Begriff so: „Durch Erziehung erworbener Besitz einer reichen und differenzierten
Gefühls- und Empfindungsfähigkeit“.
Aus psychotherapeutischer Sicht ist Herzensbildung die stete Entwicklung der eigenen
Persönlichkeit zu einem reiferen Ich. Das setzt in uns die Fähigkeit voraus,
eigene Gefühle wahrzunehmen, sie benennen zu können, um schließlich mit ihnen
angemessen umzugehen. Eine Form von Bildung also, die sich nicht mit den „Dingen“
beschäftigt, sondern mit unserem Empfinden. Der amerikanische Psychotherapeut
David Schnarch beschreibt dazu die „4 Aspekte der Balance“: ein stabiles
und flexibles Selbst (ich bin mir meiner Ziele und Wünsche im klaren), stiller
Geist- ruhiges Herz (ich kann mich selbst beruhigen), maßvolles Reagieren (ruhig
bleiben, nicht über reagieren und nicht davonlaufen) sowie sinnvolle Beharrlichkeit
(Unbehagen um des Wachstums Willen ertragen können). Je besser diese Aspekte
in uns ausgebildet sind, desto „reifer“, desto differenziertes ist unser Ich.
Wir lernen all das im Rahmen von Beziehungen: zuerst durch die Herkunftsfamilie,
dann in Freundschaften und später in der Auseinandersetzung innerhalb von Partnerschaften.
Herzensbildung erlaubt uns, mit anderen mitzufühlen, sich in andere
hineinzuversetzen. Sie ist die Basis für gegenseitigen Respekt und ein friedvolles
Miteinander. Karls Antwort übrigens auf meine Frage, was genau er mit dem Begriff
meine: „Es ist das einzige, was unsere Welt noch retten kann!“
DR. CARSTEN WEBER-ISELE
Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Gerontopsychiatrie

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